Kulinarische Lesung: Benjamin kocht
Claudio Vilardo liest aus „Benjamin und seine Väter“, Klaus Dudlik vom YPSILON-Café kocht hessische Spezialitäten und Christian Setzepfandt führt durch die Zeit des Romans und Herbert Heckmanns Kochbuch „Die Freud‘ des Essens“
.
Mittwoch, 3. Mai 2017, 20.30 Uhr
Zum Buch:
Benjamin Weis erblickt 1919 in Frankfurt als Sohn der ledigen Kanzleigehilfin Anna das Licht der Welt, vom Vater fehlt jede Spur. Der Anwalt Fritz Bernoulli nimmt sich der jungen Familie an, stellt
Wohnung und Unterhalt zur Verfügung. So wächst Benjamin trotz der widrigen Umstände behütet in der Berger Straße heran. Er taucht ein in die Welt von Don Quijote und Robinson Crusoe und erlebt mit
seinen Freunden kleine und große Abenteuer. Doch da seine Mutter auf seine Fragen nach dem Vater ausweichend mit Märchen antwortet, muss sich Benjamin eben selbst immer neue Väter erfinden.
Herbert Heckmann zeichnet ein Panorama der zwanziger und dreißiger Jahre in Deutschland aus der Perspektive eines Kindes, das sich auf viele Dinge keinen Reim machen kann. Warum sein Ziehvater als
Vaterlandsverräter beschimpft wird, warum niemand einschreitet, als ein angeblicher Kommunist auf der Straße zusammengeschlagen wird, warum sein jüdischer Freund nach Amerika auswandern muss, auf
diese Fragen erhält der jugendliche Benjamin immer noch keine Antworten. Und so lautet sein Fazit: »Ich scheiße auf alle Väter, die uns ein solches Leben eingebrockt haben.«<< Neues Bild mit
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Zum Autor:
Herbert Heckmann wurde 1930 in Frankfurt am Main geboren. Sein umfangreiches Werk umfasst neben Erzählungen und Romanen auch Kinder- und Kochbücher sowie ein Wörterbuch der
Hessischen Mundart. Für den Roman Benjamin und seine Väter, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung vorabdruckte, wurde er mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Er war Mitherausgeber der Neuen
Rundschau, freier Mitarbeiter beim Hessischen Rundfunk, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main und gehörte
zahlreichen Jurys an. Er starb 1999 in Bad Vilbel.
Die Schauplätze des "Romans Benjamin und seine Väter" sind zu Fuß vom Ypsilon Buchladen & Café zu erreichen:
Zitate aus: Herbert Heckmann, Benjamin und seine Väter,
Schöffling & Co., 2017.
0 Ypsilon Buchladen & Café Berger Str. 18
Ausgangspunkt für alle literarischen Flaneure.
1 Bergerstraße 57
»Jonas hatte Anna eine Wohnung in der Bergerstraße 57 verschafft. Es war sein eigenes Haus, ein anderes besaß er im Kettenhofweg. Die ersten Wochen schauten sie die Hausbewohner mißtrauisch an,
schließlich, als man ein durch den Krieg bewirktes tragisches Geschick vermutete, grüßte man sie ehrerbietig.«
2 Marienkrankenhaus
»Die Nonne wickelte ihre rechte Hand aus dem Bündel
und streckte sie dem Mann entgegen, der nicht wagte,
sich von der Stelle zu rühren. ›Ich gratuliere zu dem
prächtigen Sohn.‹ […] ›Leider bin ich es nicht.‹«
3 Hegelstraße
»Am Morgen des 17. März 1919, als er von seiner Wohnung
aus zu seinem Freund Dr. Groß in die Hegelstraße eilte,
barhäuptig und verwirrt, um sich Rat zu holen und umsich
einmal rundherum auszusprechen, begann seine Metamorphose.
[…] ›Du redest wie ein Vater‹, sagte Dr. Groß.«
4 Josefskirche (Eichwaldstraße 41)
»Am zehnten Tag nach der Geburt […] sollte Benjamin
in der Josefskirche getauft werden. Der Pfarrer weigerte
sich freilich, den Namen Benjamin zu akzeptieren, dafür
ließe sich kein Schutzpatron finden.«
5 Bergerstraße 42
»Benjamin hatte sich mit einem Jungen angefreundet,
der in der Bergerstraße 42 wohnte, grüne Hosenträger
und hundert Klicker hatte. Er hieß Klaus, und sein
Vater war Polizeigeneral […]. Klaus besaß überdies
ein Fernrohr, […], durch das die Welt fünfmal so groß
wurde.«
6 Bergerstraße 92
»Seit diesem Geburtstag besuchte Benjamin seinen
Freund Gogo sehr oft, postierte sich in der Mansarde der
Bergerstraße 92 vor den braunglänzenden Punchingball
und vergrub seine kantigen Fäuste in ihn. […] ›Du wirst
sehen, die Muskeln wachsen, wenn man sie trainiert.‹«
7 Kaiser-Friedrich-Gymnasium, heute
Heinrich-von-Gagern-Gymnasium
»Benjamin kam in das Kaiser-Friedrich-Gymnasium und
lernte: Latein; daß Katzen zu den Raubtieren zählen;
daß die Westgrenzen ein nationales Übel seien. Er war
sehr stolz und trug eine ballonartige Schülermütze, die
ihn dazu zwang, den Kopf steif zu halten.«
8 Merianstraße
»In der Merianstraße wurde ein Haus gebaut. Nach dem
sehr pünktlich eintretenden Feierabend war der Bauplatz
von einer Schar Kinder erfüllt, […]. Als Benjamin
mit Gogo an einem späten Nachmittag dort vorüberging,
sah er seine Stunde gekommen. ›Ich werde dort oben
auf der Stange balancieren.‹«
9 Friedberger Anlage
»Hatte er [Das Bilderbuch] sich pünktlich um 10.30 Uhr in der Friedberger Anlage niedergelassen, den Hut mit der Faust ausgeweitet und einen bis zwei Schritte von sich weg niedergelegt, […], kramte
er eine Mundharmonika oder Maulorgel, […], aus der Hosentasche und spielte La Paloma, den Hohenfriedberger Marsch und Ich hatt’ einen Kameraden.«
10 Wittelsbacher Allee
»Es bestand ein alter Zwist zwischen den Jungen der
Bergerstraße und denen der Wittelsbacher Allee,
wennzwar letztere aus Gründen einer weit um sich greifenden
Verweichlichung seltener das Kriegsbeil ausgruben
und sich mit Hilfe ihres Hundes, der eigentlich nur
bellte, leidlich verteidigten.«
11 Luxemburger Allee 35
»Benjamin [ging], den Geigenkasten unter den Arm geklemmt,
in die Luxemburger Allee 35, in der Herr Xaver,
ein alter Freund von Jonas, in einer kleinen Mansardenwohnung
lebte. Herr Xaver war ein Geigenvirtuose, der
im Kino spielte – und eine erstaunliche Fähigkeit besaß,
sein Instrument als eine vielfältige Geräuschkulisse zu
benutzen […].«
12 Thüringerstraße
»Max wohnte in der Thüringer Straße in einem neugotischen
Haus mit unzähligen Erkern, Turmzimmern und
schmalen, rotgetönten Fenstern […]. […]
Im Frühjahr 1934 erhielt Benjamin von Max einen Brief,
in dem dieser schrieb, daß sein Vater es in Amerika
nicht ausgehalten habe und nach Deutschland zurückgekehrt
sei. Vor ihrem ehemaligen Haus in der Thüringerstraße
habe er sich das Leben genommen.«
13 Habsburger Allee
»Nicht lange mehr blieb Benjamin in der Wohnung von
Jonas. Im April [1933] zog er in ein Dachstübchen bei
Schneebergers in der Habsburger Allee. Hier sollte er
bis zu seinem Abitur wohnen. […] Dr. Groß sollte bis
zur Volljährigkeit Benjamins das Erbe von Jonas verwalten.
«
14 Amerika
»An einem Nachmittag, als Benjamin mit Klaus zusammen
aus der Dachluke in der Bergerstraße 42 über
schieferblaue Dächer hinweg den großen und den kleinen
Feldberg fanden, beschlossen sie mit dem Fernrohr
und einigem Proviant bewaffnet nach Amerika zu wandern,
das sie hinterm Taunus vermuteten.«
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Fotos von Barbara Walzer