Peter Schildger - Enkausik
Kunst mit historischer Dimension: Pigmementiertes Bienenwachs
Peter Schildger belebt die alte Technik der Enkaustik ganz zeitgemäß
Der Frankfurter Restaurator und Maler Peter Schildger (*1956 ) zeigt ab 26.6. eine Auswahl seiner Enkaustik-Arbeiten im Buchladen & Café Ypsilon in der Berger Straße 18 60316 Frankfurt am Main (U4 Südausgang)
Enkausik – der Malerei mit verflüssigtem und durch Pigmente eingefärbten Bienenwachses – experimentiert Peter Schildger seit er sein neues Atelier im Musikantenweg bezogen hat. In den vergangenen Jahren sind seitdem viele spannungsreiche Arbeiten entstanden, die er nun erstmals öffentlich präsentiert.
Der Weg von Peter Schildger, der seit Jahrzehnten als Restaurator in Frankfurt am Main historische Baudenkmale origialgetreu erhält und dafür mehrfach Preise erhielt, führte über die Beschäftigung mit historischen Maltechniken zur Enkaustik. Bei der Herstellung eigener Farben für Restaurierungsaufgaben setzte er Wachs als Mattierungsmittel ein oder stellte damit Wachstempera und Caseintempera her. Auch als Grundlage für Mordentvergoldung sowie die Kittung von Fehlstelen in Objektfassungen und Douplierungen von Leinwandgemälden diente ihm die ausgesprochen traditionsreiche Technik.
Neben den vielfältigen künstlerischen Möglichkeiten der Enkaustik faszinierte Peter Schildger die historische Dimension der Technik. Seit Menschen ihre Lebensmitel mit Honig süßen, kam auch Bienenwachs mit unterschiedlichsten Nutzungen zur Anwendung Homer erwähnte in der Illias Honigpflaster. Auch die Punier verwandten Wachs als Bindemittel in der antiken Anstrichtechnik, das sie als Überzug u. a. für Skulpturen einsetzten.
Später spielte Wachs in der Ikonenmalerei eine gewisse Rolle, wie das Athos-Buch des Dyonisos berichtete. Laut Mythologie entstanden Wachs und Honig, als der altägyptische Sonnengott Re weinte. Die Sonne galt als Honig der Götter. Homer rühmte den Honig in der Hymne an Hermes zudem als Rauschmittel. Auch in der Geschichte des Göttervaters Zeus gibt es eine Verbindung zu den Bienen: Seine Mutter Rheia versteckte den kleinen Zeus nach seiner Geburt in einer Grotte des Dikti-Gebirges auf Kreta. Es waren Nymphen, die Zeus dann mit Ziegenmilch und Honig nährten und damit vor dem Hungertod bewahrten.
In der römischen Antike war Wachs für das Schreiben unabdingbar. Die Römer ritzen auf kleinen Wachstäfelchen mit dem Griffel, dem Stylos, Schriftzeichen ein. Ein zufälliger archäologischer Fund, der etwa 1.000 sogenannte Fayum-Porträts im Norden des heutigen Ägyptens umfasst, stieß zur Mitte des 19. Jahrhunderts die bisher letzte und bis heute anhaltende Neubelebung des Themas an.
Das Lexikon verzeichnet unter dem Eintrag Enkaustik eine besonders widerstandsfähige Maltechnik, die mit Wachs verbundene Farben in heißem Verfahren mit dem Malgrund verbindet. Erhalten sind besonders Marmorbilder und Mumienporträts; berühmt waren Nikias enkaustische Fassungen der Statuen des Praxiteles. In den Literaturangaben wird u. a. ein Text von Plinius d. Ä. genannt.
( Quelle: Thomas Hoppe: Wachsmalerei)
Erst im 18. Jahrhundert wurde die Enkaustik vom französischen Archäologen Anne-Claude-Philippe (1692-1765), dem Comte de Caylus, der die alten Wandmalereien und die Enkaustiktechniken von Pompeji studierte, kurzzeitig wiederbelebt.
Später, im 19. Jahrhundert, untersuchten Freskenmaler der nördlichen Klimazonen die Enkaustik, um ein Mittel gegen die Feuchtigkeitsprobleme bei den Wandmalereien zu finden; der Erfolg war aber begrenzt. Andere europäische Künstler, wie Vincent van Gogh (1853-1890) und der Nazarener Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1812) verwendeten Wachs in ihren Ölgemälden, um Farbschichten mit durchscheinenden Schichten voneinander zu trennen.
Die Popularisierung dieser Kunst und das wachsende Bewusstsein für das Medium ist dem Begründer der Pop Art, Jasper Johns (*1930), zu verdanken. Er benutzte es in einer Reihe seiner Werke, darunter in seiner Serie American Flags. Andere Künstler, die zur Wiederbelebung der Enkaustik beigetragen haben, waren Alfonso Ossonio (1916-1990), Lynda Benglis (*1941), Nancy Graves (1939-1995), Robert Morris (*1931) und Tony Scherman (1950). Enkaustik ist heute eine moderne, immer populärer werdende Kunsttechnik.
Peter Schildger stellt sich bewusst in dieses lange Tradition und setzt seine eigenen Schwerpunkte. Zentral ist für ihn die Farbe, mit der er sich seit Jahrzehnten intensiv beschäftigt. Dabei lässt er sich nicht zuletzt von Wittgenstein leiten, der die Schwierigkeit, die wir beim Nachdenken über das Wesen der Farben empfinden, mit denen sich auch Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) in der Farbenlehre auseinandersetzte, in der Unbestimmtheit unseres Begriffs der Farbengleichheit verortet.
Ein weiterer wichtiger Inspirator ist Josef Albers mit seiner Schrift Interaction of Color
Die malerische Aussage seiner bildnerischen Werke ist Ausdruck einer Bildidee, die auf unterschiedliche Weise entstehen kann: Spontan, oder sie gestaltet sich in Folge eines Konzepts oder aber sukzessive, und konkretisiert sich dann Stück für Stück dem wahrnehmenden wie begreifendem Auge in der künstlerischen Handlung. So ist jede Farbe in einem Bild in die Konsequenz des Bildes eingebunden, auf dem der malerischen Gehalt des Bildes gründet.
Nach Schildgers Auffassung wird das Bild eben über die Farbe, seinem es fundierenden, propositionalen (Informationseinheit) Gehalt nach, begriffen. Das bedeutet, dass der Betrachter die Farben eines Bildes im Komplex seiner erscheinenden Struktur erst lesen und auf der Basis der Empfindung erfassen lernen muss. Das soll natürlich nicht heißen, dass sich ein Bild oder Gemälde auf Farbe begrifflich reduzieren lässt. Für das Verstehen eines Bildes ist es aber nicht notwendig, das begreifbare des Bildes in Worte zu fassen.
Aussteller: Peter Schildger
Seit über 30 Jahren als Restaurator in Frankfurt am Main und näherer Umgebung tätig.
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